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Yukon - Sediment Creek Climb

06.08.2020


Und hier kommt die nächste Geschichte von unserem Rafting-Trip "Down the Tatshenshini" im Yukon 2019 - genau richtig, um bei der Hitzewelle etwas in yukonsche Temperaturen abzutauchen...

Tag 3: Sediment Creek Climb

Der Nebel, der über den Bergen hängt, beginnt sich langsam zu heben und auseinander zu brechen, als wir das Frühstück beenden und den Abwasch erledigen. Um diese Uhrzeit tragen wir noch alle unsere wärmsten Lagen, Mütze und Handschuhe. Blauer Himmel späht durch und die Sonne scheint hell auf unseren herrlichen Campingplatz am Ufer des Tatshenshini. Es wird ein perfekter Tag für die Wanderung!

Mit Wasserflaschen und Snacks in unseren Rucksäcken folgt die Gruppe unserem Guide Kastrel entlang des Bachbettes in Richtung des „Hügels“ hinter unserem Campingplatz. Kestrel und Jeremy legen ein kräftiges Tempo fest, das auf dem flachen Boden durch den Wald gut ist, aber schwieriger wird, wenn der Weg nach oben führt. Bald teilt sich die Gruppe in mehrere kleinere Fraktionen auf, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen. Ich versuche, mit den Guides Schritt zu halten. Gut verwurzelte Bäume unterstützen uns beim Aufstieg und bieten gute Handgriffe, um ein Herunterfallen zu verhindern. Der Hang wird immer steiler. Uns wird gesagt, dass es drei Ebenen gibt, auf denen wir entscheiden können, ob wir weitergehen oder umkehren. Noch bin ich zuversichtlich, dass ich als jüngste Teilnehmerin bis zum Schluss durchhalte.

Der schmale Pfad verlässt die Bäume und steigt an einem sehr steilen Hügel hinauf. Der Boden unter unseren Schuhen ist sandig und kleine Steine machen ihn rutschig. Auf der linken Seite gibt es einen Abfall, der mich etwas unruhig macht, aber ich versuche mich auf den Weg zu konzentrieren und finde Handgriffe in der Vegetation auf der rechten Seite. Überall um uns herum öffnet sich die Aussicht auf die Berge mit einem atemberaubenden Blick auf zerklüftete Gipfel und Schneekappen. Schließlich erreicht unsere erste Gruppe von Wanderern die erste Stufe. Während wir rot im Gesicht sind und keuchen, strotzen unsere jungen Guides vor Energie und wollen am liebsten gleich weiter. Es gibt eine schön flache Wiese, auf der wir uns hinsetzen können, um etwas zu trinken und zu essen und Fotos voneinander mit „unserem“ Fluss und den Bergen dahinter zu machen. Wir können unseren Campingplatz weit unten sehen, kleine bunte Zelte am sandigen Flussufer spähen durch die Bäume.

Die zweite Gruppe kommt nach einer Weile und freut sich, sich auch endlich ausruhen zu können. Phil hat Linda mit ihrem Skizzenblock und den Pastellkreiden unten im Lager gelassen. Sie ist top ausgerüstet auf diese Tour gekommen, um ihre Eindrücke der Natur malerisch festzuhalten. Cindy, Gary und Liz sind unsicher, ob sie weitergehen sollen. Kestrel versichert ihnen, dass es ab jetzt einfacher wird. Also beschließen sie, mit uns mitzukommen und es zu versuchen. Kestrel liegt falsch. Der Weg steigt genauso steil an wie vorher und es dauert nicht lange, bis die drei umkehren. Wir anderen kämpfen uns zum nächsten Level – einfach geradeaus nach oben. Wofür Serpentinen gehen, wenn es auch einen direkten Weg gibt?

Immer wieder legen wir kurze Pausen ein – natürlich nur, um die gigantische Landschaft um uns herum zu genießen…
 
Lila Fireweed bis zum Hals begleitet uns auf dem Weg zum zweiten Level, bis der Weg dann in Felsen übergeht. Endlich heißt es wieder: „Rastplatz erreicht“. Wir machen es uns auf den Felsen gemütlich und packen nochmal unsere Snacks aus. An dem herrlichen Panorama dieser endlosen Wildnis entlang des Tatshenshini Rivers können wir uns kaum sattsehen.

Mich überkommt ein großes Gefühl der Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass ich hier sein darf. Dankbarkeit für diese unglaublich schöne Natur. Dankbarkeit für diese super Gruppe. Dankbarkeit für meine ganze aufregende Lebensreise bisher. Dankbarkeit für eine so tolle Familie, die mich dieses Abenteuer erleben lässt.
 
Kestrels Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Ab jetzt wird es dann schon etwas steil“. Kein Wunder, dass für unser Muskelpaket das bisher ein Spaziergang war. Auch unserer 18jährigen Finn und unserem Nonstop-Talking-Jeremy ist noch keine Anstrengung anzusehen. Man tickt hier im Yukon einfach anders…
 
Nancy, Judy und ich beschließen, die Guides mit nur noch Rich und Karl, unseren beiden Outdoor-Profis, weiterklettern zu lassen. Man muss das Glück ja nicht herausfordern – und wir haben noch anstrengende Rafting-Tage vor uns. Wir übernehmen einen der Bärsprays und treten den Rückweg an. Gut, dass Judy in Anchorage, Alaska, wohnt und weiß, wie man diesen Spray benutzt. Genügend Spuren von riesigen Tatzen haben wir immer wieder entlang des Ufers gesehen, auch an unseren Zeltplätzen.
 
Wir beginnen langsam unseren Abstieg. Runter ist irgendwie herausfordernder als rauf. Jetzt nicht den Halt verlieren und den Hang hinunterkugeln. Wir setzen bedächtig Schritt für Schritt, auch seitwärts, wenn der Hang zu steil und rutschig wird. Jede Vegetation wird zum Festhalten genutzt. Die Sonne brennt heiß und unerbittlich auf uns herunter. Von wegen, der Yukon besteht nur aus Eis und Kälte… Wir unterstützen uns gegenseitig. Rücksicht, Hilfsbereitschaft und Wertschätzung zeichnen alle in unserer ganzen Gruppe aus. Es ist immer ein Wagnis, allein eine Gruppenreise zu buchen und nicht zu wissen, auf wen man trifft. Aber ich hätte es nicht besser treffen können!
 
Endlich sind wir zwischen den Bäumen und können uns besser an Ästen festhalten, um uns den steilen Weg weiter nach unten zu arbeiten. Endlich zurück im Lager treffen wir die anderen. Jeder ist erleichtert, heil wieder runtergekommen zu sein. Es war harte Arbeit und wir sind alle total verschwitzt. Es ist Zeit, mein erstes Gletscherbad zu genießen!
 
Ich nehme ein Handtuch und das biologisch abbaubare Shampoo mit und folge einem Pfad zum Flussufer. Es ist ein steiler Einstieg und das hellblaue Gletscherwasser ist eiskalt an meinen Füßen. "Oh Mann! Das ist Freeeeeezing!“ Ich beuge mich runter und versenke meinen Kopf im Wasser. Hirnfrost! Aber irgendwie tut es auch sooo gut! Shampoo drauf und kurz in die Kopfhaut einmassiert. Meine Füße sind bis zum Knie schon ziemlich taub. Nochmal Kopf rein ins Wasser, dabei eine Kurzwaschung für den Rest. Puh, ist das kalt. Viel Zeit bleibt nicht zu sehen, wie schön dieser Flußabschnitt ist oder ob ein Bär oder ein Elch mir beim Baden zuschau. Ich klettere aus dem Gletscherwasser und wickle mich schnell in mein Handtuch. Zum Glück ist die Sonne noch warm und in wenigen Augenblicken spüre ich, wie meine Füße auftauen. Alles kribbelt und es fühlt sich großartig an. Mit neuem Energieschub wandere ich zurück zu meinem kleinen blauen Zeit, mein liebgewonnenes Zuhause für diese 10 Tage. In frischen sauberen Klamotten setze ich mich zu den anderen in unsere Campingstühle ans Ufer unseres Flusses und lasse den Tag revue passieren.

Ein Freund von mir würde jetzt sagen „Another shitty day in paradise“.
 
Schon erklingt von unserer Lagerküche der ersehnte Ruf „Dinner is ready“!
 
Life is good.